Gedichte

Liv Lundberg: Gedichte – (translation by Gabriele Haefs)

 

(Skulptur)

eine Skulptur in einem Raum

Einzelelemente aus Stoff und Zeit

sammeln ein Bild

und das Bild ähnelt dir:

es ist ein Bild von dir

Nasenspitze, Ohrläppchen, Wangenknochen

in der Kehle sitzen die Wörter

die der Mund nie geäußert hat

um den Körper genähte Kleider, eine Brieftasche

mit Ausweispapieren

wer du auch sein magst

mit blassem undeutlichem Gesicht

eine Geburtsurkunde

eine Signatur

Schatten und Sonne, die tägliche

fast maschinenhafte Wiederholung

sie sagen, sie wüßten, wer du bist

sie sagen, du seist

ein Bild deiner selbst

du seist wie eine Skulptur in einem Raum

(Gesicht)

Das Bild eines Menschen

ein Gesicht objektiv wie ein Schicksal

von Angesicht zu Angesicht mit Schweigen und Raum

Portrait einer jungen Frau, die sterben will

ein Gegenstand abgebildet zwischen anderen

vor einer rauhen Steinmauer, einem geborstenen Rohr

einem Geländer und diesem Fragenden

das fast um Vergebung

bitten will

Ein Mensch als Gesicht

ein Mensch der bald nicht mehr ist

ein Mensch blickt dem Nichts in die Augen

voller Staunen, der Blick sieht

den klaren Blick

der nicht mehr wissen will

(Zeugen)

Wir sind bescheidene Zeugen

dessen, was wir sehen

wir sind verantwortlich für unsere Berichte

von seltsamen fossilen Orten

in Notizen über Härtung, Verhärtung, Verwitterung

dinosaurische Erfahrung

in der langsamen geschickten Berührung

der Materie durch die Evolution

Zeitabstände

brennen ihre Eiszeiten

gegen die Handflächen

wie flüssigen Stickstoff

(Marmor)

ein schlafendes Kind

in Worten für das Zukünftige

die Wange ruht an

einem rein geographischen Traum

in der meditierenden Kindheit der Formen

um später aufzuwachen

in einer Marmorfläche

das Gesicht erhoben von der Flucht der Augen

und den Schädel beschwert von seinem Meinungsschatten

(Skizze)

Die Welt beginnt: ein Ei

in der Geographie der Einsamkeit

Markstreifen gezeichnet wie rote

Sandwege über weiße Flächen

eine Skizze füllt sich mit Licht

und Schatten von Namen

im Vorläufigen, Formlosen

Feuer wird entfacht und beleuchtet Details

in einem Gesicht, in deinem Gesicht

dargestellt in Verhältniszahlen

zwischen der Welt und deiner Welt

unbegreiflich nüchtern und nah

ein Ei in der Zeit

nicht weit fort

arbeitet ein Bildhauer an seinem Menschen

arbeitet eine Bildhauerin an ihrem Menschen

2 Responses to Gedichte

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